Wer um die unbedingte Würde jeder einzelnen Person weiß, hat auch unbedingte Ehrfurcht vor der menschlichen Person.

Viktor Frankl

Das Menschenbild der Logotherapie

Aus dem schönen und komplexen Menschen- und Weltbild, das Viktor Frankl als Grundlage seiner Seelenheilkunde entwickelt hat, möchte ich Ihnen einige zentrale Gedanken vorstellen, damit Sie einen Eindruck von der inneren Haltung dieser Therapieform bekommen.

Die Würde der Person Der Mensch ist ein Wesen mit unverlierbarer Würde. Und er ist ein geistiges Wesen, er ist Einheit aus Körper, Psyche und Geist. Das, was erkranken kann, sind der Körper und die Psyche des Menschen, nicht aber sein Geist, nicht sein innerer Wesenskern. Dieser bleibt heil, ihn behält der Mensch unter allen Umständen.

Der freie Wille Die Logotherapie geht davon aus, dass der Mensch einen freien Willen hat. Wir sind nicht frei von (Bedingungen aller Art, die unser Leben mitbestimmen), aber wir sind frei zu (unendlich Vielem, was für uns persönlich im Bereich des Möglichen liegt). Wir sind frei, uns im Rahmen des Gegebenen immer wieder neu nach bestem Wissen und Gewissen für bestimmte Handlungs- oder Sichtweisen zu entscheiden.

Der Wille zum Sinn Mehr als nach Lust oder Macht strebt der Mensch nach Sinnerfüllung. Unsere Motivation ist dort am höchsten, wo wir Sinnvolles bewirken können.

Der Sinn des Lebens  Wir können den Sinn des Lebens als solchen nicht ergründen. Aber wir können ihn erfüllen – indem wir jeweils den Sinn des Augenblicks erspüren und danach handeln. Das Leben selbst behält seinen Sinn unter allen Umständen (auch wenn wir ihn in einer verzweifelten Lebensphase vielleicht nicht mehr spüren). Es bleibt für uns gestaltbar bis zuletzt, und sei es im Kleinen und Kleinsten. Wenn der äußere Handlungsspielraum durch Krankheit oder andere Schicksalsschläge sehr eingeschränkt ist, kann der Mensch noch die ungeahnte Größe seines geistigen und seelischen Freiraumes entdecken und sein Leben durch seine innere Einstellung zu den Dingen und den Menschen, die ihn umgeben, mit Sinn und Licht durchfluten.

Die Verantwortlichkeit des Menschen  Die Freiheit, die wir haben, bedingt auch, dass wir Verantwortung für unser Leben tragen. Mit der Art, wie wir leben, wie und wofür wir uns entscheiden, antworten wir auf die Fragen, die das Leben uns stellt. Je mehr Herzensentscheidungen wir treffen, desto stärker wandelt sich Verantwortungs­bewusstsein in Verantwortungsfreude. Die Aufgaben, die das Leben für uns bereithält, sind persönliche. Eine mir persönlich gestellte Aufgabe kann nur ich erfüllen, niemand sonst. Die Ihnen persönlich gestellten Aufgaben können nur Sie erfüllen, niemand sonst. Darin liegt ein großes Glück verborgen.

Die Lebensleistung des schöpferischen, liebenden und leidenden Menschen  Die Logotherapie hat ein Verständnis von „Leistung“, das nicht dem gängigen Leistungsbegriff unserer Gesellschaft unterliegt. Sie erkennt die schöpferische Leistung eines Menschen, der sich tatkräftig seinen Aufgaben widmen kann – sei es im Beruf, in der Familie oder durch andere Formen aktiven Engagements – in vollem Maße an. Doch sie sieht die größere Leistung dort, wo ein Mensch für einen anderen sich selbst überwindet und ihm einen Liebesdienst erweist. Und sie geht davon aus, dass der leidende Mensch, der bemüht ist, ein unabwendbares Schicksal aufrecht zu tragen, die höchste Leistung vollbringt.

Viktor E. Frankl

Ich muss mir ja von mir selbst nicht alles gefallen lassen.

Viktor Frankl

Viktor Emil Frankl (1905 – 1997) wurde als Kind jüdischer Eltern in Wien geboren. Als junger Arzt schon überzeugt vom Sinn und Wert des Lebens, organisierte er in sieben Städten Österreichs kostenlose Jugendberatungsstellen zur Suizidprävention. 1937 eröffnete Frankl eine Facharztpraxis für Neurologie und Psychiatrie. Er heiratete Tilly Grosser, seine erste Frau. Gemeinsam mit ihr und seinen Eltern wurde er 1944 nach Theresienstadt deportiert. Frankl kam von dort nach Auschwitz und Dachau, er überlebte als Einziger von ihnen.

1946 rekonstruierte er sein im Konzentrationslager verlorenes Werk „Ärztliche Seelsorge“, mit dem er sich habilitierte. Im gleichen Jahr veröffentlichte er sein heute unter dem Titel „ …trotzdem Ja zum Leben“ bekanntes Zeitdokument
„Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“, das in mehr als 9 Millionen Exemplaren verkauft wurde. Frankl heiratete 1947 Eleonore Schwindt, der er in einem seiner Bücher die handgeschriebene Widmung hinterließ: „Für Elly, die es geschafft hat, aus einem leidenden einen liebenden Menschen zu machen.“

Im Laufe seines Lebens publizierte Viktor Frankl 32 Bücher, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden. Er war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und hatte neben weiteren internationalen Professuren den Lehrstuhl für Logotherapie an der International University in Kalifornien inne. Frankl starb 92-jährig in Wien.

Eine ausführliche Biografie, die Liste seiner Veröffentlichungen und eine umfassende Darstellung seines Lebenswerks finden Sie auf den Seiten des Wiener Viktor-Frankl-Instituts.

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