Meiner langjährigen Erfahrung nach gelingt die Ausrichtung auf ein selbstbestimmtes Leben oft nur Hand in Hand mit der Würdigung und Verarbeitung schwerer Erlebnisse. Ich verbinde die Logotherapie daher bei Bedarf gezielt mit traumatherapeutischen Ansätzen.
Was ist ein Trauma?
Ein Trauma entsteht, wenn drei Faktoren zusammenkommen: wenn ein Mensch einem überwältigenden Geschehen ausgesetzt ist, wenn er sich selbst dabei nicht (mehr) helfen kann und er auch im Außen nicht zeitnah angemessene Hilfe und Ansprache bekommt. Das kann bei allen Formen von körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt passieren, aber auch bei Unfällen, Operationen und anderen einschneidenden Erfahrungen von Ohnmacht und Ausgeliefertsein.
Wenn ein Mensch eine Situation als lebensbedrohlich erlebt, kommt es zu einer extremen Aktivierung des sympathischen Nervensystems, um Flucht oder Angriff zu ermöglichen. Wenn beides nicht geht (oder die Bedrohung sogar noch steigern würde), setzt der Totstellreflex ein: Der Körper schaltet als letzte Notfallmaßnahme alle motorischen Impulse aus, um das Überleben zu sichern. In einer Art Lähmung ist jetzt das parasympathische Nervensystem maximal aktiviert.
Der menschliche Organismus kann solche Zustände ausgleichen, ohne Schaden zu nehmen, wenn die Gefahr rasch vorübergeht. Eine länger anhaltende oder häufig wiederkehrende Übererregung des Nervensystems ist jedoch so unerträglich, dass das zughörige körperliche und seelische Erleben abgespalten werden muss.
Insbesondere wenn Kinder die Bedrohung durch eine nahe Bezugsperson erleben, die sie lieben und bei der sie eigentlich Schutz, Nähe und Geborgenheit suchen, entstehen daraus innerseelische Konflikte, die so unaushaltbar sind, dass die Psyche gezwungen ist, inkompatible oder inakzeptable Informationen und Gefühle vom bewussten Denken abzutrennen. Ähnliches kann auch in einer Bindung passieren, in der das Gegenüber (häufig aufgrund eigener unverarbeiteter Traumata) emotional für das Kind nicht erreichbar ist.
Unabhängig davon, wie lange das Geschehen zurückliegt, befindet sich ein Teil des Menschen durch eine Traumatisierung wie eingefroren im Zustand der Ohnmacht. Gleichzeitig will dieser Teil zurück ins Leben – und drückt sich in vielfältigen Symptomen aus, um auf die massive Gefahr hinzuweisen, die im Nervensystem und im subjektiven Erleben weiterhin andauert.
Welche Symptome können darauf hindeuten?
Eine solche traumabedingte Abspaltung kann sich später in fehlender Erinnerung an das Geschehen oder Teilaspekte davon zeigen. Sie kann sich auch darin ausdrücken, dass Betroffene sich zwar erinnern können, sich jedoch wie getrennt von ihrem Körper erleben oder kaum Zugang zu ihren Emotionen haben.
Zu den möglichen psychischen und neurobiologischen Auswirkungen von Traumata, die manchmal erst mit jahrelanger Verzögerung auftreten, gehören u.a.: chronische Schmerzen und Spannungszustände, Schwäche und anhaltende Erschöpfung, Schlafstörungen, Depressionen, Hilflosigkeitsgefühle, starke Überforderungsgefühle, Scham, Schuldgefühle und Ängste.
Es ist erstaunlich, wie viel Menschen vermögen, wenn man es ihnen nur zutraut.
Wie die Logotherapie zur Traumabewältigung beitragen kann
Um ein Trauma verarbeiten zu können, brauchen wir intensiven Kontakt zu unseren gesunden erwachsenen Ich-Anteilen. Diese fördert die Logotherapie. Mit Frankls Überzeugung, dass die geistige Person, die wir sind, unverletztbar ist, setzt sie einen besonderen Fokus auf all das in uns, was trotz schwerer Erlebnisse gesund geblieben ist.
Unterstützt durch die Erkenntnisse aus der Psychotraumatologie ist es mir in meiner Arbeit besonders wichtig, dieses Bewusstsein für die heilen Anteile auch auf körperlicher und emotionaler Ebene erfahrbar zu machen. Mit einem guten Gespür für unser gegenwärtiges Selbst können wir abgespaltene Anteile, die noch in der Not eines früheren Geschehens gefangen sind, wahrnehmen, verstehen und uns ihnen zuwenden. Wir können in dieser Selbst-Begegnung behutsam die nötige Hilfe nachreichen, die ursprünglich gefehlt hat.
Der Körper hat seine natürliche Fähigkeit zur Selbstregulierung nicht verloren. Im geschützten Rahmen der Therapie können Sie lernen, Ihr Nervensystem bewusst zu beruhigen, damit traumatisches Erleben integriert werden kann.
Wenn alle Anteile in der Gegenwart wieder miteinander verbunden sind, entsteht neue Freiheit – und oft eine große Lust, Leben aktiv zu gestalten. Es ist dann Raum da, um zu entdecken, was Sie persönlich als besonders sinnerfüllend empfinden und wie Sie es Schritt für Schritt in die Wirklichkeit bringen möchten.